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Neues aus der Alten Geschichte
Podcastreihe „Verfassungsdebatten“
Welche Regierungsform ist die beste? Verfassungsdebatten sind Bestandteil bürgerlichen Alltags und hatten in der Antike Konjunktur. Dabei handelte es sich nicht um blutleere theoretische Abhandlungen. Vielmehr hatten diese ihren Sitz im Leben.
Das Masterseminar „Verfassungsdebatten: Kontexte und Medien“ unter der Leitung von Prof. Dr. Angela Ganter beschäftigte sich mit ausgewählten Konstellationen berühmter Verfassungsdebatten, wie sie bei Herodot, Platon, Polybios und Cassius Dio zu finden sind. Dabei wurden einerseits die lebensweltlichen Kontexte der verschiedenen Debatten erschlossen, andererseits deren Umsetzung in verschiedenen antiken wie modernen Medien diskutiert und erprobt.
Am Ende des Seminars setzten die Teilnehmenden die gewonnenen Erkenntnisse mittels kreativer Podcast-Produktionen in moderne Medienformate um. In insgesamt vier Folgen erlangen Zuhörende einen Einblick in die gesellschaftspolitischen Hintergründe und die Standpunkte der jeweiligen Debatten. Wie sieht laut Platon der ideale Staat aus? Was hat es mit Polybios‘ Mischverfassung auf sich? Welche Verfassungsform hält Cassius Dio für die beste? Und was wäre gewesen, wenn Herodot die Geschichte der Perserkriege als Sieg der Monarchie über die Demokratie erzählt hätte? All diese Fragen werden in den Podcasts originell und fundiert beantwortet
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Zu den einzelnen Podcastfolgen
Chaos in Athen – mit Platon auf der Suche nach der besten Verfassung
Von Elena Maria Eusebi, Lisa Fichtinger und Konrad Lytkowski
In dieser Folge reisen wir zurück ins antike Athen des Jahres 399 v. Chr. und lassen den Philosophen Platon selbst zu Wort kommen. In einem fiktiven, aber historisch fundierten Interview spricht er über die politischen Umbrüche seiner Zeit, die Schwächen der Demokratie und alternativer Staatsformen und über seine Vision eines idealen Staates. Ausgangspunkt ist die Verurteilung seines Lehrers Sokrates, ein Ereignis, das Platons politische Überlegungen maßgeblich beeinflusst hat. Er analysiert die bestehenden Staatsformen – von der Demokratie über die Oligarchie bis hin zur Tyrannis – und hinterfragt, warum keine Verfassung dauerhaft stabil bleibt. Seine Kritik an der Demokratie führt schließlich zu seinem berühmten Konzept der Philosophenherrschaft, das er auf Sizilien mit Dionysios II. in der Praxis zu erproben versuchte.
Quellengrundlage
Platons Verfassungsdebatten (Plat. rep. 8–9; polit. 303c; leg. 4,715a–c) verarbeiten Erfahrungen aus seiner Jugend mit oligarchischer Schreckensherrschaft am Ende des verlorenen Peloponnesischen Krieges (431–404 v. Chr.), als obendrein sein Lehrer Sokrates sterben musste (399 v. Chr.), und trieben ihn auf Sizilien zur Realisierung seiner Idealstaatsvorstellungen. Bei deren Scheitern verwarf Platon mit Blick auf die Menschennatur eine Realisierbarkeit seines Idealstaates und rückte stattdessen die Gesetze an oberste Stelle (1. Hälfte 4. Jh. v. Chr.).
Raus aus dem Chaos – Polybios über die römische Mischverfassung und den Verfassungskreislauf
Von Dennis Fischer und Tim Kapsreiter-Homeyer
Die antike Welt ist geprägt von dynamischen Herrschaftsverhältnissen, in denen politische Systeme stetem Wandel unterworfen sind. Oftmals sind Unruhen und chaotische Verhältnisse charakteristische Auswirkungen der sich schnell verändernden Verfassungen. Der griechische Geschichtsschreiber Polybios zeigt einen Weg aus dem Chaos auf und legt im sechsten Buch seines Geschichtswerks einerseits ein Modell für kontinuierlichen Verfassungswandel vor. Andererseits erklärt er den großen Erfolg der römischen Republik mit einer revolutionären Idee politischer Systematik, die bis in die Moderne prägend für den Aufbau politischer Systeme sein sollte.
In lockerer Gesprächsatmosphäre unterhalten sich Dennis Fischer und Tim Kapsreiter-Homeyer im Podcast über die Hintergründe des griechischen Geschichtsschreibers, beleuchten die Eigenheiten der Verfassung der römischen Republik und versuchen den Geheimnissen von Mischverfassung und Verfassungskreislauf auf den Grund zu gehen.
Quellengrundlage
Polybios’ Verfassungsdebatten (Polyb. Buch VI) führen der zerstrittenen griechischen Welt vor Augen, warum das imperial-republikanische Rom so erfolgreich war. Der Schüssel römischer Sieghaftigkeit und Stabilität liegt für Polybios im Ausbruch aus ständigen, mit Verwerfungen einhergehenden Verfassungskreisläufen durch eine die besten Elemente von Monarchie, Aristokratie und Demokratie vereinende Mischverfassung, wie er sie in der römischen res publica realisiert sieht (1. Hälfte 3. Jh. v. Chr.).
Chaos in Rom. Mit Cassius Dio auf der Suche nach dem besten Princeps
Von Christine Maschke und Mario Sommer
Im Rahmen der Verfassungsdebatte zwischen Agrippa und Maecenas bei Cassius Dio 52,1–18 bitten Christine Maschke und Mario Sommer die Principes Nero, Marc Aurel und Elagabal um ihre Stellungnahme zu ihrer Herrschaft und kontextualisieren Cassius Dios Blick auf die beste Verfassungsform.
Quellengrundlage
Cassius Dio (Cass. Dio 52,1–18), der im frühen 3. Jh. n. Chr. auf zweihundert Jahre Kaiserherrschaft in Rom zurückblickt, spricht in seinen Verfassungsdebatten über gute und schlechte Kaiser und stilisiert den Principat des Augustus als Kombination aus monarchischen sowie demokratischen Elementen.
Was wäre gewesen? Herodot lässt die Monarchie über die Demokratie siegen
Ein Podcast über Kontrafaktische Geschichte mit Angela Ganter
Quellengrundlage
Herodots Verfassungsdebatte (Hdt. 3,80–82) kontrastiert als erste überhaupt die drei Verfassungsformen Monarchie, Aristokratie und Demokratie miteinander. Als Folie der Debatte verwendet er Erfahrungen der Perserkriege (499–479 v. Chr.), implementiert dabei aber zugleich zeitgenössische Kritik an der Praxis athenischer Demokratie (440/30er v. Chr.), als sich Athen im attischen Seebund außenpolitisch zu einer „tyrannischen Polis“ entwickelte (5. Jh. v. Chr.).